Dienstag, den 23. Mai 2023 um 18:00 Uhr
Hörsaal V 47.03
Universität Stuttgart, Campus Vaihingen, Pfaffenwaldring 47
Zum Vortrag:
Das olympische Dach markierte in vielerlei Hinsicht die damaligen Grenzen herkömmlicher Architektur und bautechnischer Methoden. Und es war Ansporn und Versprechen, diese Grenzen zu überwinden bzw. weit in Bereiche zu verschieben, die sicher damals aber auch heute noch in vielerlei Hinsicht visionär sind. So wirkt auch heute noch die inspirierende Kraft des olympischen Daches auf die Entwicklung numerischer Methoden für die Simulation der Formfindung, Statik und Dynamik in der Wechselwirkung mit dem umströmenden Wind und der Einbettung in einen durchgängigen digitalen Entwurfs- und Betreuungsprozess. Dabei sind die freie Form und die Bauweise als vorgespanntes Seilnetz die technischen Gründe, dass man bereits in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre gezwungen war, völlig neue und computerorientierte Methoden für Formfindung und Statik zu entwickeln. So fand innerhalb weniger Jahren statt, was heutzutage als unmöglich gilt: Innerhalb kürzester Zeit wurden neue computerorientierte Simulationsmethoden und neue Bauweisen entwickelt, erprobt und umgesetzt. Rückblickend und mit dem heutigen Wissen ist es eine außergewöhnlich spannende, Fachleute wie Laien faszinierende Geschichte, die mit der Entwicklung des Olympischen Daches verbunden ist. Sie erzählt viel über die Temperamente ihrer Protagonisten und darüber, wie Technik entsteht. Der Vortrag gibt einen allgemein verständlichen, sehr anschaulichen Einblick in die Dynamik der Methodenentwicklung dieser Zeit und zeigt die Bedeutung der damaligen Entwicklungen für den heutigen Stand der Technik in Lehre, Forschung und gebauter Praxis. Die Freiheit von Kraft und Form, ein Synonym der unkonventionellen Olympischen Spiele von 1972 und ein Treiber moderner Baukunst.
Zum Vortragenden:
Prof. Bletzinger studierte von 1978 bis 1984 Bauingenieurwesen an den Universitäten Stuttgart und Calgary, Kanada. Darauf war er Mitarbeiter von Prof. Ekkehard Ramm am Institut für Baustatik der Universität Stuttgart, wo er 1990 zum Thema „Formoptimierung von Flächentragwerken“ promovierte und dann als Oberingenieur leitende Funktionen übernahm. U.a. war er zusammen mit Prof. Ramm Leiter des Teilprojektes „Optimierung natürlicher Baukonstruktionen“ im von Frei Otto initiierten Sonderforschungsbereich 230 „Natürliche Konstruktionen – Leichtbau in Architektur und Natur“. 1996 wurde er an die Universität Karlsruhe auf die Professur für „Numerische Methoden in der Baustatik“ berufen.
Seit 1999 ist Prof. Bletzinger an der Technischen Universität München und leitet den Lehrstuhl für Statik. Wissenschaftlich beschäftigt er sich mit der Entwicklung der nichtlinearen Finite-Elemente-Methode für die numerische Simulation und Optimierung von Tragwerken, auch in der Wechselwirkung mit Fluiden. Im speziellen Gebiet der Formfindung und Formoptimierung sind Prof. Bletzinger und seine Arbeitsgruppe international führend. Am Lehrstuhl entwickelte Methoden sind Bestandteil moderner, computerorientierter Ingenieurverfahren und werden in allen relevanten Anwendungsgebieten des Bauwesens, im Automobil- und Maschinenbau sowie der Luft- und Raumfahrt eingesetzt. Er ist Mitglied in vielen Gremien der grundlagenorientierten und anwendungsnahen Forschung, der europäischen Normung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und in der Prüfungskommission der obersten Bayerischen Baubehörde für die Anerkennung von Prüfingenieuren.
Bilder der Veranstaltung:
