Projektbeschreibung
Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die Entwicklung einer Methode, die Simulationen des Bruchverhaltens kohäsiver Reibungsmaterialien mit einer Form der Diskrete-Elemente-Methode ermöglicht, ohne dass dazu die gesamte Struktur mit Partikeln aufgelöst werden muss. Dies erfordert die Modellierung von Phänomenen auf unterschiedlichen geometrischen Skalen. Um diese Skalen in einer Simulation zu vereinen, wird eine Kopplung der Finite-Elemente-Methode und der Diskrete-Elemente-Methode vorgeschlagen, bei der die Effizienz der FEM mit der Präzision der DEM kombiniert wird. Hierzu werden Ideen der Quasikontinuumsmethode aus dem Bereich der Atomistik übernommen und auf eine Anwendung für Probleme in der Strukturmechanik kohäsiver Reibungsmaterialien übertragen. Bevor jedoch die Entwicklung der Methode und die Ergebnisse einiger numerischer Beispiele erläutert werden, erfolgt zunächst eine Diskussion der Materialmodellierung.
Materialien weisen auf verschiedenen Skalen eine unterschiedliche Struktur auf. Deshalb werden, abhängig von der Skala, auf der das Material betrachtet wird, unterschiedliche Methoden zur Modellierung eingesetzt. Auf der Makroskala können die meisten Materialien als kontinuierlich betrachtet werden, wohingegen bei genauerer Betrachtung viele Materialien eine diskrete Mikrostruktur besitzen. Ein Beispiel ist Beton, der aus einer Matrix aus Zement besteht, in die ein Zuschlag aus Gesteinskörnern unterschiedlicher Größe eingebettet ist, die Aggregate. Auf einer sehr feinen Skala, nämlich der Atomskala, sind alle Materialien diskret. Um zuverlässige Prognosen des Verhaltens diskreter Materialien bis zum Versagen aufstellen zu können, werden mechanische Modelle benötigt, die die komplexen Vorgänge auf der Ebene der diskreten Mikrostruktur erfassen können. Zwei dazu geeignete Methoden werden in dieser Arbeit kurz vorgestellt: die Diskrete-Elemente-Methode (Cundall und Strack 1979), die oft bei granularen Materialien und kohäsiven Reibungsmaterialien eingesetzt wird, und die Molekulardynamik (Alder und Wainwright (1957) und Alder und Wainwright (1959)) für Simulationen auf der Atomskala. Ein Nachteil dieser Methoden ist, dass sie einen hohen numerischen Aufwand erfordern und dadurch die Größe der berechenbaren Strukturen begrenzt ist.
Auf makroskopischer Ebene sind Methoden, die auf Formulierungen der Kontinuumsmechanik basieren, sehr effizient und liefern zuverlässige Ergebnisse, solange die Lösung relativ glatt ist. Eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Kontinuumsmethoden ist Skalenseparation. Diese ist dann garantiert, wenn die globalen Strukturabmessungen so weit über den Abmessungen der Mikrostruktur liegen, dass Homogenisierungsverfahren eingesetzt werden können. Mit Kontinuumsmethoden können Lokalisierungsphänomene der Mikrostruktur jedoch nur verschmiert dargestellt werden und nicht so detailliert wie mit diskreten Methoden. Abgesehen von der Finite-Elemente-Methode (Turner u. a. (1956), Argyris (1960) und Zienkiewicz und Cheung (1967)), wird auf zwei weitere Kontinuumsmethoden eingegangen: die "Smoothed Particle Hydrodynamics" (Lucy (1977) und Gingold und Monaghan (1977)) und die Material-Point-Methode (Sulsky u. a. 1994).
Für einen optimalen Kompromiss aus Präzision und Effizienz liegt es nahe, diskrete und kontinuierliche Methoden miteinander zu kombinieren. Dazu wird die Kontinuumsmethode dort eingesetzt, wo die Lösung relativ glatt ist, und die diskrete Methode in Bereichen, wo lokale Phänomene bedeutsam werden, also beispielsweise ein Riss entsteht, zu dessen Auflösung ein detailliertes Modell erforderlich ist. So werden Simulationen großer Strukturen, bei denen eine Rechnung mit vollständig aufgelöster Mikrostruktur die verfügbare Speicherkapazität übersteigt, ermöglicht. Die Kopplung der beiden Methoden ist besonders effizient, wenn die Bereiche, in denen die Struktur fein aufgelöst werden muss, verhältnismäßig klein sind und während der Rechnung adaptiv gefunden werden. In der Literatur sind einige Methoden zu finden, die diesen Ansatz verfolgen. Drei unterschiedliche Konzepte zur Kopplung von Methoden werden in dieser Arbeit kurz vorgestellt. Dabei handelt es sich um die Bridging-Domain-Methode (Belytschk und Xiao 2003), die Bridging-Scale-Methode (Wagner und Liu 2003) und die Quasikontinuumsmethode (Tadmor u. a. 1996), die alle aus dem Bereich der Atomistik stammen.
In dieser Arbeit wird ausgehend von der Quasikontinuumsmethode eine netz- und modelladaptive Methode für die Anwendung in der Strukturmechanik entwickelt. Sie soll zur Berechnung des Antwortverhaltens von Strukturen eingesetzt werden, deren Material auf einer den globalen Strukturabmessungen um eine bis zwei Größenordnungen unterlegenen Skala aus Partikeln aufgebaut ist, wie beispielsweise Beton. Lokalisierendes Materialverhalten, wie die Entstehung und Ausbreitung von Rissen, steht dabei im Vordergrund. Die Berechnungen sollen mit einer groben Finite-Elemente-Diskretisierung begonnen werden, und der Übergang zum fein aufgelösten diskreten Modell soll in entsprechenden Bereichen adaptiv stattfinden. Der Fokus dieser Arbeit liegt nicht darauf, eine hoch entwickelte Diskrete-Elemente-Methode (DEM) für eine bestimmte Anwendung zu präsentieren, sondern auf der adaptiven Strategie. Daher wird zur Modellierung auf der diskreten, feinen Skala eine einfache Form der Diskrete-Elemente-Methode eingesetzt, die im Wesentlichen einer Gittermethode entspricht. Die Knoten eines gleichseitigen Dreiecksgitters repräsentieren dabei die Mittelpunkte von runden, gleich großen und starren Partikeln und die Gitterstäbe dazwischen die kohäsiven Verbindungen dieser Partikel. Es wird vorausgesetzt, dass dies die Mikrostruktur eines Materials gut approximiert und die numerische Lösung mit der Gittermethode das Materialverhalten deshalb realistisch wiedergeben kann. Die Finite-Elemente-Methode (FEM) bestimmt die Kinematik im System und die Gittermethode definiert das Konstitutivverhalten.
Durch adaptive Netzverfeinerung wird das Netz aus Dreieckselementen in Bereichen mit hohen Verzerrungsgradienten verfeinert. Eine Besonderheit dabei ist, dass neue Knoten immer an Positionen gewählt werden, die in der Mikrostruktur durch einen Partikelmittelpunkt repräsentiert sind. Dadurch ist garantiert, dass am Ende der Netzverfeinerung alle Partikel gleichzeitig einem FE-Knoten entsprechen und damit die vollständig aufgelöste Mikrostruktur wiedergegeben wird. Die Einführung von drei unterschiedlichen Elementarten, Level 1 bis Level 3, ermöglicht außerdem einen adaptiven Übergang von der groben Skala (FEM) zur vollständig aufgelösten feinen Skala (DEM). Die Steifigkeitsmatrix der drei Elemente wird auf verschiedene Art berechnet, wobei die Mikrostruktur mit unterschiedlicher Genauigkeit aufgelöst wird. In Bereichen mit einem groben Netz (Level 1) wird das Material durch ein äquivalentes Kontinuum repräsentiert, dessen Stoffgesetz durch Homogenisierung bestimmt werden kann. Dort, wo das Netz vollständig aufgelöst ist (Level 3), interagieren die Partikel so, wie es das Feinskalenmodell vorgibt. Dazwischen gibt es die Level 2-Elemente, die den Übergang vom diskreten zum kontinuierlichen Modell darstellen.
Bei den Level 2-Elementen wird die Mikrostruktur zwar nicht ganz aufgelöst, es wird aber dennoch jeder einzelne Stab bei der Ermittlung der Elementsteifigkeitsmatrix berücksichtigt. Im homogenen Fall, bei dem alle Stäbe des regelmäßigen Gitters der Mikrostruktur die gleichen Materialeigenschaften haben, können die Verschiebungen der im Element liegenden Partikel durch Interpolation der Knotenverschiebungen (Cauchy-Born-Regel) des Level 2-Elements berechnet werden. Mithilfe der Partikelverschiebungen lassen sich die Potentiale der Stäbe im Element in Abhängigkeit der Knotenverschiebungen berechnen. Die Summe dieser Potentiale liefert das Gesamtpotential des Elements. Zweimalige Ableitung des Gesamtpotentials nach den Knotenverschiebungen wiederum ergibt die Steifigkeitsmatrix des Level 2-Elements. Sind die Materialeigenschaften der Stäbe der Mikrostruktur hingegen heterogen verteilt, führt die Anwendung der Cauchy-Born-Regel dazu, dass die Stäbe im Element nicht im Gleichgewicht sind. In diesem Fall wird daher ein Ansatz verfolgt, bei dem die Steifigkeitsmatrix aus Eigenwerten und Eigenvektoren berechnet wird. Dabei repräsentieren die Eigenvektoren jeweils einen Verschiebungszustand und die Eigenwerte geben die Steifigkeit des Elements in diesem Zustand wieder. Für die Ermittlung der Eigenvektoren wird von einem homogenen Stoffgesetz ausgegangen. Die Eigenvektoren entsprechen also den Eigenvektoren der Steifigkeitsmatrix eines Level 1-Elements. Zur Bestimmung der sechs Eigenwerte wird für jede Eigenform des Elements ein Unterproblem auf der Ebene der Mikrostruktur gelöst. Die Eigenvektoren bilden dabei die Verschiebungsrandbedingungen im jeweiligen Zustand. Es wird gefordert, dass sich die Energien im Feinskalenmodell und im Grobskalenmodell entsprechen. Dadurch lässt sich der zu einer Eigenform gehörende Eigenwert des Level 2-Elements berechnen. Aufgrund der Unabhängigkeit der Mikrostruktur eines Level 2-Elements von der Mikrostruktur anderer Level 2-Elemente, können die Steifigkeitsmatrizen der Level 2-Elemente parallel berechnet werden.
Die Anwendbarkeit dieses Gesamtkonzepts wird anhand von vier Beispielen demonstriert, bei denen jeweils eine rechteckige Struktur mit einer mittig gelegenen rautenförmigen Aussparung horizontal gezogen wird. Bei zwei Beispielen haben alle Stäbe dieselben Materialeigenschaften (homogener Fall) und bei den anderen beiden liegt ein heterogenes Material vor. Bei einem der jeweils zwei Beispiele wird den Stäben der Mikrostruktur ein linear elastisches Materialgesetz zugewiesen, und beim zweiten können einzelne Stäbe entsprechend eines einaxialen Schädigungsmodells linear entfestigen. Zur Erstellung des heterogenen Modells wird auf das zuvor beschriebene regelmäßige Dreiecksgitter ein idealisierter Betonquerschnitt aus unterschiedlich großen, kreisrunden Aggregaten projiziert. Die Heterogenität besteht dann darin, dass den Stäben (im Aggregat oder in der Matrix liegend, bzw. das Interface bildend) unterschiedliche Materialeigenschaften zugewiesen werden. Für linear elastische Stäbe wird die Steifigkeit variiert und für elastisch-schädigende die Festigkeit.
Mit den linear elastischen Beispielen kann gezeigt werden, dass die adaptive Prozedur funktioniert und das Ergebnis der Feinskalenrechnung gut wiedergegeben wird. Im homogenen Fall werden bei der adaptiven Simulation deutlich weniger Freiheitsgrade benötigt als bei einer Vergleichsrechnung mit vollständig aufgelöster Mikrostruktur. Es sind jedoch bei der adaptiven Rechnung einige Schritte zur Netzverfeinerung erforderlich. Dennoch ist in diesem Fall die adaptive Rechnung dreieinhalb mal schneller als die Feinskalenrechnung (Echtzeit). Durch die geringere Anzahl an Freiheitsgraden ergibt sich außerdem ein geringerer Speicherbedarf.
Im heterogenen Fall ist jedoch die Feinskalenrechnung schneller als die adaptive Rechnung. Durch die Verteilung der Aggregate im gesamten Gebiet ist bei diesem Beispiel die gesamte Mikrostruktur heterogen. Die größten Verzerrungsgradienten sind an den Übergängen von Matrix und Aggregaten vorzufinden. An all diesen Übergängen wird deshalb das Netz verfeinert, wodurch sich auch bei der adaptiven Prozedur verhältnismäßig viele Freiheitsgrade ergeben. In Kombination mit mehreren nötigen Verfeinerungsschritten verlängert dies die Berechnungszeit. Trotz des Mangels an Effizienz kann mit diesem Beispiel gezeigt werden, dass die heterogene Mikrostruktur von dem gesamten Verfeinerungsprozess und insbesondere den Level 2-Elementen wahrgenommen und entsprechend aufgelöst wird. Von der Möglichkeit der Parallelisierung bei der Berechnung der Steifigkeitsmatrizen der Level 2-Elemente wurde in dieser Arbeit kein Gebrauch gemacht.
Mit den materiell nichtlinearen Beispielen kann ebenfalls gezeigt werden, dass die Ergebnisse der adaptiven Simulation gut mit denen der numerischen Referenzlösung übereinstimmen. Die Heterogenität der Mikrostruktur wird auch hier durch den Verfeinerungsprozess erwartungsgemäß aufgelöst und ein entstehender Riss verläuft um die festeren Aggregate herum. Während im heterogenen Fall mit der adaptiven Rechnung 59 % der Rechenzeit eingespart werden können, sind dies mit einem homogenen Material sogar 89 %.
Die entwickelte Methode kann ihre volle Stärke dann zeigen, wenn die Lokalisierungsphänomene nur in kleinen Bereichen auftreten und in großen Teilen Kontinuumselemente (Level 1) eingesetzt werden können. Verglichen mit dem Feinskalenproblem können dann viele Freiheitsgrade eingespart werden. Eine effiziente Berechnung großer Strukturen ist somit möglich, ohne dass zur Abbildung von Phänomenen auf der Ebene der Mikrostruktur die gesamte Mikrostruktur aufgelöst werden muss.
Projektdaten
Projekttitel:
Adaptive discrete-continuous modeling of evolving discontinuities
Förderung:
DFG/ Cluster of Excellence in Simulation Technology
Bearbeitung:
Annika Sorg