Charakterisierung und Modellierung adaptiver Tragwerke

Forschungsprojekt

(Teilprojekt B01 im Sonderforschungsbereich SFB 1244)

Überblick

  • Hintergrund
  • Charakterisierung adaptiver Tragwerke
  • Modellierung der Aktuierung

Projektbeschreibung

Hintergrund

Seit den frühen 70er Jahren wird in den USA an Strukturen geforscht, die selbständig auf äußere Einflüsse reagieren können. An diesen Entwicklungen war hauptsächlich die Luft- & Raumfahrtbranche interessiert, da Gewichtseinsparungen wesentlich für wirtschaftliches Fliegen sind. Seit einigen Jahren spielen Gewichtseinsparungen aus Kosten- und Nachhaltigkeitsgründen auch im Bauwesen eine größere Rolle, deshalb rücken hier zunehmend adaptive Systeme in den Fokus der Forschung. Unter anderem sind der Ausgleich bemessungsrelevanter Spitzenbeanspruchungen, die Homogenisierung von Spannungszuständen und die Verringerung von auftretenden Verformungen Anwendungsbereiche, in denen adaptive Systeme sehr effiziente Lösungen bieten.

Adaptivität (von lat. adaptare: anpassen) beschreibt im Zusammenhang mit Tragwerken die Fähigkeit, autonom auf äußere Einflüsse zu reagieren. Diese Reaktion kann auf verschiedene Arten erfolgen. Änderungen an Geometrie, Kräften oder Materialeigenschaften können durch Aktoren vorgenommen werden. Die Steuerung und Regelung der Aktorik benötigt eine Sensorik, die in der Lage ist, die Auswirkungen der Umgebungseinflüsse auf das Tragwerk zu erfassen. Daraufhin kann eine gesteuerte oder geregelte Reaktion der Aktorik erfolgen und das Tragwerk optimal für die vorherrschende Situation konfigurieren.

Simulation des "Stuttgarter Trägers" (ILEK): Verringerung der vertikalen Verformung unter der Einzellast durch Horizontalverschiebung des rechten Lagers. Passiver Zustand oben, aktiver Zustand unten.

Charakterisierung adaptiver Tragwerke

Für die Arbeit mit adaptiven Tragwerken ist eine genaue Definition eines adaptiven Tragwerks unerlässlich. Dazu nötige Begriffe müssen aus dem Maschinenbau, der Regelungstechnik und dem Bauingenieurwesen übernommen und zusammengeführt werden. Weiterhin sollen möglichst objektive Maße für die Güte eines adaptiven Tragwerks erarbeitet werden. Diese können zum Beispiel mit Hilfe von Redundanzanteilen und Gramschen Steuerbarkeitsmatrizen quantifiziert werden. Daraus können zusätzlich Rückschlüsse auf eine optimierte Platzierung von Aktoren gezogen werden, die für die Performance einer adaptiven Struktur sehr wichtig ist. Ein erster Schritt ist die Unterteilung der Einsatzbereiche adaptive Strukturen. Bei klassischerweise steifigkeitsdominierten Problemstellungen, wie zum Beispiel Eisenbahnbrücken oder Hochhäuser, können durch den Einsatz aktiver Elemente die maßgebenden Verformungen oder Beschleunigungen manipuliert werden und dadurch ein signifikanter Anteil der Masse in der Primärstruktur eingespart werden.

Strukturoptimierung aktiv passiv
Vergleich der Ergebnisse von Strukturoptimierungen eines passiven (links) und eines adaptiven Tragwerks (rechts). Die maximalen Ausnutzungsgrade (a) sind unter denselben Randbedingungen an Verformungen und Spannungen deutlich größer und dadurch werden die benötigten Querschnitte (b) deutlich kleiner und somit leichter.

Modellierung der Aktuierung

Ein weiterer Schwerpunkt dieses Forschungsbereichs liegt in der Modellbildung und Simulation von adaptiven Systemen. Um exakte Analysen adaptiver Tragwerken durchführen zu können, müssen die Aktorik, Sensorik und Regelungstechnik in die Modelle integriert werden. Somit kann das reale Verhalten in die Analyse des adaptiven Systems eingebunden werden. Dies ist zudem hilfreich bei der Entwicklung und dem Test der Algorithmen, die die Steuerung und Regelung des Systems übernehmen. Mit dem Ziel einer effizienten Simulation adaptiver Strukturen mithilfe der Finite-Elemente-Methode werden in einem ersten Schritt nötige finite Aktor-Elemente entwickelt, um Aufwand bei der Verwendung von bspw. Temperaturlastfällen oder anderen Zwangslastfällen zu vermeiden.

Einfahrendes aktives finites Stabelement.

Projektdaten

Projekttitel:
Teilprojekt B01 - Charakterisierung, Modellierung und Reduktion adaptiver Tragwerke
Projekt-Website
Förderung:

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Sonderforschungsbereich SFB 1244 "Adaptive Hüllen und Strukturen für die gebaute Umwelt von morgen", GEPRIS-Projektnummer 324663295
Projektpartner:

Institut für Technische und Numerische Mechanik (ITM), Universität Stuttgart
Bearbeitung:
Tamara Prokosch, Lisa-Marie Krauß

Veröffentlichungen

  1. Krauß, L.-M., Maierhofer, M., Prokosch, T., Trautwein, A., von Scheven, M., Menges, A., & Bischoff, M. (2024). Baustatische Methoden für Entwurf, Auslegung und Betrieb adaptiver Tragwerke. In B. Oesterle, A. Bögle, W. Weber, & L. Striefler (Hrsg.), Berichte der Fachtagung Baustatik – Baupraxis 15, 04. und 05. März 2024, Hamburg (S. 101--108). https://doi.org/10.15480/882.9247
  2. Krauß, L.-M., von Scheven, M., & Bischoff, M. (2023). Combining the redundancy concept and vibration control for actuator placement in adaptive structures. X ECCOMAS Thematic Conference on Smart Structures and Materials, SMART 2023, Patras, Greece. https://doi.org/10.7712/150123.9826.444394
  3. Trautwein, A., Prokosch, T., Senatore, G., Blandini, L., & Bischoff, M. (2023). Analytical and numerical case studies on tailoring stiffness for the design of structures with displacement control. Frontiers in Built Environment, 9. https://doi.org/10.3389/fbuil.2023.1135117
  4. Geiger, F. (2022). Strukturmechanische Charakterisierung von Stabtragwerken für den Entwurf adaptiver Tragwerke. Doktorarbeit, Bericht Nr. 74. Institut für Baustatik und Baudynamik der Universität Stuttgart. https://doi.org/10.18419/opus-12299
  5. Krake, T., von Scheven, M., Gade, J., Abdelaal, M., Weiskopf, D., & Bischoff, M. (2022). Efficient Update of Redundancy Matrices for Truss and Frame Structures. Journal of Theoretical, Computational and Applied Mechanics. https://doi.org/10.46298/jtcam.9615
  6. Böhm, M., Steffen, S., Gade, J., Geiger, F., Sobek, W., Bischoff, M., & Sawodny, O. (2020). Modellierung aktiver Strukturelemente als Erweiterung zum klassischen Workflow der FE-Analyse. Manfred Bischoff, Malte von Scheven, Bastian Oesterle (Hrsg.) Berichte der Fachtagung Baustatik – Baupraxis 14, 23. und 24. März 2020, Universität Stuttgart. https://doi.org/10.18419/opus-10762
  7. Böhm, M., Wagner, J., Steffen, S., Gade, J., Geiger, F., Sobek, W., Bischoff, M., & Sawodny, O. (2020). Input modeling for active structural elements – extending the established FE-Workflow for modeling of adaptive structures. IEEE/ASME International Conference on Advanced Intelligent Mechatronics (AIM), 1595--1600. https://doi.org/10.1109/AIM43001.2020.9158996
  8. Geiger, F., Gade, J., von Scheven, M., & Bischoff, M. (2020). A Case Study on Design and Optimization of Adaptive Civil Structures. Frontiers in Built Environment, 6, 94. https://doi.org/10.3389/fbuil.2020.00094
  9. Geiger, F., Gade, J., von Scheven, M., & Bischoff, M. (2020). Optimal Design of Adaptive Structures vs. Optimal Adaption of Structural Design. IFAC-PapersOnLine, 53(2), 8363--8369. https://doi.org/10.1016/j.ifacol.2020.12.1604
  10. Geiger, F., Gade, J., von Scheven, M., & Bischoff, M. (2020). Anwendung der Redundanzmatrix bei der Bewertung adaptiver Strukturen. Manfred Bischoff, Malte von Scheven, Bastian Oesterle (Hrsg.) Berichte der Fachtagung Baustatik – Baupraxis 14, 23. und 24. März 2020, Universität Stuttgart, 119–128. https://doi.org/10.18419/opus-10762
  11. Fröhlich, B., Gade, J., Geiger, F., Bischoff, M., & Eberhard, P. (2019). Geometric element parameterization and parametric model order reduction in finite element based shape optimization. Computational Mechanics, 63, 853–868. https://doi.org/10.1007/s00466-018-1626-1
  12. Fröhlich, B., Geiger, F., Gade, J., Bischoff, M., & Eberhard, P. (2018). Model order reduction of coupled, parameterized elastic bodies for shape optimization. IUTAM Symposium on Model Order Reduction of Coupled Systems, May 22–25, 2018, Stuttgart, 151--163. https://doi.org/10.1007/978-3-030-21013-7_11
  13. Weidner, S., Kelleter, C., Sternberg, P., Haase, W., Geiger, F., Burghardt, T., Honold, C., Wagner, J., Böhm, M., Bischoff, M., Sawodny, O., & Binz, H. (2018). The implementation of adaptive elements into an experimental high-rise building. Steel Construction, 11, 109–117. https://doi.org/10.1002/stco.201810019

Kontakt:

Dieses Bild zeigt Tamara Prokosch

Tamara Prokosch

M. Sc.

Akademische Mitarbeiterin

Dieses Bild zeigt Lisa-Marie Krauß

Lisa-Marie Krauß

M. Sc.

Akademische Mitarbeiterin

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Malte von Scheven

Dr.-Ing.

Stellv. Institutsleiter, AOR

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