Massenskalierung

Abgeschlossenes Forschungsprojekt

Effizienz- und Genauigkeitssteigerung durch variationelle Formulierung.

Überblick

  • Parametrische variationelle Prinzipien der Dynamik
  • Effizienzsteigerung durch variationelle selektive Skalierung von Massen- und reziproke Massenmatrizen
  • Genauigkeitssteigerung durch variationell konstruierte Trägheitsschablonen
  • Zeitschrittschätzer für reziproke Massenmatrizen

Projektbeschreibung

Parametrische variationelle Prinzipien der Dynamik

Dieses Forschungsprojekt beschäftigt sich methodisch mit der Weiterentwicklung parametrischer variationeller Prinzipien der Dynamik. In Vorarbeiten wurde bereits eine variationelle Formulierung, basierend auf einer modifizierten Form des Hamiltonischen Prinzips, vorgestellt. Die Einführung mehrerer unabhängiger Felder, d.h. die unabhängige Diskretisierung von Verschiebung, Geschwindigkeit und Impuls, erlaubt die Herleitung von singulären Massen, variationell skalierten Massen und reziproken Massen. Während singuläre Massen für die Reduktion von Oszillationen in impliziten Kontaktproblemen eingesetzt werden kann, erlauben die variationell skalierten Massen und reziproken Massen eine Effizienzsteigerung in der expliziten Dynamik durch eine Vergrößerung des kritischen Zeitschritts. Die Funktionsweise der selektiven Massenskalierung ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

selektive Massenskalierung
Schematische Darstellung des Prinzips der selektiven Massenskalierung. Die maximale Eigenfrequenz wird reduziert ohne dabei die Genauigkeit in den niederen, relevanten Moden signifikant zu verschlechtern. Die Reduzierung der maximalen Eigenfrequenz erlaubt dann einen größeren möglichen Zeitschritt.

Effizienzsteigerung durch variationell selektive Skalierung von Massen- und reziproke Massenmatrizen

Während die variationell selektive Skalierung zu nichtdiagonalen Massenmatrizen führt und somit die Lösung eines linearen Gleichungssystems in jedem Zeitschritt der expliziten Analyse erfordert, erlaubt die Verwendung von reziproken Massenmatrizen eine triviale Lösung zum Erhalt der Beschleunigungen. Jeder Zeitschritt ist somit ähnlich teuer wie für die gewöhnlich verwendeten nichtdiagonalen Matrizen. Durch die optimale Auswahl der freien Parameter in der Formulierung kann zusätzlich eine Vergrößerung des Zeitschritts um den Faktor 2 erreicht werden.  

Während in der Ausgangsarbeit reziproke Massenmatrizen nur für Simplex-Elemente untersucht wurden, soll im Rahmen dieses Projektes die Erweiterung der Methode für eine Vielzahl von Kontinuumselementen erfolgen und systematisch untersucht werden.

Um die Methode für praktische Anwendungen brauchbar zu machen, müssen verschiedene Routinen des expliziten Finite-Elemente-Codes für die Verwendung reziproker Massenmatrizen überarbeitet werden. Dies betrifft z.B. die Behandlung von Kontaktproblemen oder Multi-Point Constraints.

Genauigkeitssteigerung durch variationell konstruierte Tägheitsschablonen

Neben der Effizienzsteigerung im Sinne der Massenskalierung kann auch eine Genauigkeitssteigerung durch die gezielte Anpassung der freien Parameter der Formulierung erreicht werden.

Ein Anwendungsbeispiel hierfür sind zum Beispiel isogeometrische finite Elemente. Für die explizite Analyse existieren keine diagonalen Massenmatrizen, die zufriedenstellende Ergebnisse, v.a. für Diskretisierungen höherer Ordnung, liefern. Durch die gezielte Wahl der freien Parameter mithilfe der Dispersionsanalyse lassen sich nun existierende algebraische Massenmatrizen höherer Ordnung reproduzieren und neue, sehr genaue reziproke Massenmatrizen entwickeln.

In der folgenden Abbildung ist das Verhältnis von skalierter Eigenfrequenz zu Referenzeigenfrequenz für die ersten 30 Eigenfrequenzen eines NAFEMS Benchmarks mit NURBS-Diskretisierung dargstellt. Mit der optimierten reziproken Masse kann ein signifikant kleinerer Fehler in den ersten Eigenfreqenzen erreicht werden als mit der konsistenten oder diagonalisierten Massenmatrix.

Eigenfrequenz-Benchmark
Eigenfrequenz-Benchmark. Mit der reziproken Massenmatrix sind die niederen Frequenzen signifikant genauer als mit der diagonalisierten oder konsistenten Massenmatrix.

Zeitschrittschätzer für reziproke Massenmatrizen

Um die Effizienz der neuen reziproken Massenmatrizen ausnutzen zu können, muss der kritische Zeitschritt auf effiziente Weise abgeschätzt werden können.

Existierende elementweise Zeitschrittschätzer lassen sich leider nicht auf reziproke Massen übertragen, da elementweise Zeitschrittschätzer nicht zwingend konservative Ergebnisse für reziproke Massenmatrizen liefern. Dies hängt mit der Nichtadditivität von reziproken Massen zusammen. Daher wird im Rahmen dieses Projektes ein knotenbasierter, lokaler und effizienter Zeitschrittschätzer für reziproke Massenmatrizen basierend auf dem Gershgorin Theorem vorgeschlagen und analysiert. Der Einfluss der Penalty-Steifigkeit durch Penalty-Kontakt auf den kritischen Zeitschritt wird ebenfalls berücksichtigt. Die Ergebnisse des vorgeschlagenen Zeitschrittschätzers für ein Benchmark-Problem eines sehr stark verzerrten Netzes sind in der folgenden Abbildung dargestellt.

Benchmark-Problem Zeitschrittermittlung verzerrtes Netz
Benchmark-Problem zur Zeitschrittermittlung bei einem sehr stark verzerrten Netz. Der Kontour-Plot zeigt den knotenweisen Zeitschritt ermittelt mit dem vorgeschlagenen Gershgorin-Zeitschrittschätzer für reziproke Massen.

Projektdaten

Projekttitel:
Variationelle Methoden zur Massenskalierung
Förderung:

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Sachbeihilfe BI 722/10-1, GEPRIS-Projektnummer 279006948
Bearbeitung
Anne-Kathrin Schäuble, Anton Tkachuk

Veröffentlichungen

  1. Schäuble, A.-K. (2019). Variationally conistent inertia templates for speed-up and customization in explicit dynamics. Doktorarbeit, Bericht Nr. 69, Institut für Baustatik und Baudynamik, Universität Stuttgart. https://doi.org/10.18419/opus-10606
  2. Schäuble, A.-K., Tkachuk, A., & Bischoff, M. (2018). Time step estimates for explicit dynamics with reciprocal mass matrices. Computers & Structures, 202, 74–84. https://doi.org/10.1016/j.compstruc.2018.03.005
  3. Schäuble, A.-K., Tkachuk, A., & Bischoff, M. (2017). Variationally consistent inertia templates for B-spline- and NURBS-based FEM: Inertia scaling and customization. Computer Methods in Applied Mechanics and Engineering, 326, 596–621. https://doi.org/10.1016/j.cma.2017.08.035
  4. Tkachuk, A., & Bischoff, M. (2015). Direct and sparse construction of consistent inverse mass matrices: general variational formulation and application to selective mass scaling. International Journal for Numerical Methods in Engineering, 101, 435–469. https://doi.org/10.1002/nme.4805
  5. Schäuble, A.-K., Tkachuk, A., & Bischoff, M. (2014). Variationelle Methoden zur Massenskalierung für eine effizientere explizite Zeitintegration in der Dynamik. K.-U. Bletzinger, N. Gebbeken, R. Fisch (eds.): Berichte der Fachtagung Baustatik - Baupraxis 12., 705–713.
  6. Tkachuk, A., & Bischoff, M. (2014). Local and global strategies for optimal selective mass scaling. Computational Mechanics, 53, 1197–1207. https://doi.org/10.1007/s00466-013-0961-5
  7. Tkachuk, A. (2013). Variational methods for consistent singular and scaled mass matrices. Doktorarbeit, Bericht Nr. 60, Institut für Baustatik und Baudynamik, Universität Stuttgart. https://doi.org/10.18419/opus-517
  8. Tkachuk, A., & Bischoff, M. (2013). Variational methods for selective mass scaling. Computational Mechanics, 52, 563–570. https://doi.org/10.1007/s00466-013-0832-0
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